Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habem im Allgemeinen einen hohen Beweiswert. Wer eine solche Bescheinigung beim Arbeitgeber einreicht, hat also im Regelfall nachgewiesen, dass er arbeitsunfähig erkrankt ist. Allerdings kann dieser Beweiswert auch erschüttert sein. Darauf weist das Bundesarbeitsgericht in seiner heutigen Pressemitteilung hin:
Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Arbeitnehmerin gekündigt und gleichzeitig eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom selben Tag eingereicht, ausweislich derer sie just bis zum Ende der Kündigungsfrist arbeitsunfähig war. Die Arbeitgeberin hat daraufhin die Entgeltfortzahlung verweigert, da sie dieser Bescheinigung keinen Glauben schenkte. Die Arbeitnehmerin klagte das fehlende Gehalt ein und hatte damit vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht auch Erfolg. Beim Bundesarbeitsgericht scheiterte sie allerdings:
Die Klägerin hat die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit im Streitzeitraum zunächst mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen. Diese ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt das dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war. Der Beweis kann insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Die Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 8. Februar zum 22. Februar 2019 und der am 8. Februar bis zum 22. Februar 2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründet einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin ist im Prozess ihrer Darlegungslast zum Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit – auch nach Hinweis des Senats – nicht hinreichend konkret nachgekommen. Die Klage war daher abzuweisen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 13. Oktober 2020 – 10 Sa 619/19 –