Manchmal kommt es auch ohne Berührung zwischen zwei Fahrzeugen zu einem Unfall, so in folgendem Fall: Der Kläger fuhr mit seinem Motorrad auf einer Bundesstraße hinter einem anderen Motorradfahrer. Dieser andere Motorradfahrer überholte einen Pkw und der Kläger wollte dann sowohl den Pkw als auch den vorausfahrenden Motorradfahrer überholen.
Zu diesem Zweck fuhr er noch weiter außen auf der Gegenfahrbahn und geriet dort – ohne dass es zu einer Fahrzeugberührung gekommen wäre – auf den Seitenstreifen. Er verlor die Kontrolle, stürzte und verletzte sich schwer. Vor Gericht behauptete er dann, er habe den vorausfahrenden Motorradfahrer bereits fast überholt gehabt, als dieser plötzlich und ohne Schulterblick und Blinksignal nach links ausgeschert sei, weshalb er ebenfalls weiter nach links habe ausweichen müssen. Der andere Motorradfahrer behauptete indes, er habe den Pkw bereits fast überholt gehabt und sei kurz davon gewesen, wieder nach rechts einzuscheren, als der Kläger ihn in zweiter Reihe überholt hätte.
Das Landgericht hat eine Haftung von 50 % angenommen, das Berufungsgericht hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Dieses Berufungsurteil hat der Bundesgerichtshof aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei hat der BGH zunächst ausgeführt, dass die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeuges an der Unfallstelle für eine Haftung nicht ausreicht. Insbesondere bei einem sogenannten „Unfall ohne Berührung“ sei Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs des Kraftfahrzeugs zu dem schädigenden Ereignis, das über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat. Hierfür genüge allein der Umstand, dass der verklagte Motorradfahrer überholte, allein nicht aus. Allerdings hatte das Berufungsgericht eine Aussage des Sachverständigen unbeachtet gelassen, demzufolge die Spurenlage ein Ausweichmanöver des Klägers aus dem linken Randbereich der linken Fahrbahn weiter nach links mit Einleitung einer Notbremsung erkennen ließ. Daher hielt der BGH eine ergänzende Beweisaufnahme für erforderlich und hat das Urteil aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.11.2016, VI ZR 533/15